Begleitforschung zum Wahl-O-Mat anlässlich der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017

Seit der Bundestagwahl 2002 wird der Wahl-O-Mat als Online-Wahlhilfe durch die Bundeszentrale für politische Bildung eingesetzt. Der Wahl-O-Mat präsentiert den Nutzerinnen und Nutzer 38 Thesen aus unterschiedlichen Themenfeldern, zu denen sie sich „zustimmend“, „neutral“ oder „ablehnend“ positionieren können. Auf der Grundlage dieser Positionierung kalkuliert der Wahl-O-Mat dann im Abgleich mit den Parteipositionen die Nähe der Nutzerinnen und Nutzer zu den zur Wahl zugelassenen Parteien.

Ziel des Wahl-O-Mat ist es dabei, über politische Themen und Unterschiede zwischen den Parteien zu informieren, Anschlusskommunikation über Politik anzuregen und letztlich auch zur Wahl zu motivieren.

Tools wie der Wahl-O-Mat werden als „Voting Advice Applications“ (VAAs) bezeichnet. Die bisherige Forschung zu diesen Anwendungen zeigt, dass diese durchaus Wirkungen auf das politische Verhalten und das politische Wissen der Nutzerinnen und Nutzer haben. Zur Bundestagswahl 2013 wurde der Wahl-O-Mat mehr als 13 Millionen Mal genutzt. Er erreicht also einen nicht unerheblichen Teil des Elektorats, weshalb es aus demokratietheoretischer Sicht wichtig ist, sich mit den Effekten des Tools auseinander zu setzen und diese weiter zu beforschen.

Das Forschungsprojekt des DIID und der Wahl-O-Mat Forschung an der Heinrich-Heine-Universität in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung NRW verfolgt deshalb in zwei Forschungsmodulen das Ziel, bislang unbeleuchtete Felder der VAA-Forschung zu erhellen.

Im ersten Forschungsmodul geht es um die (Anschluss-)Kommunikation zum Wahl-O-Mat im Social Web, genauer auf Twitter. Dieses Medium erlaubt es, Kommunikation sichtbar und damit analysierbar zu machen. Dies soll dazu genutzt werden zu erfassen, „wer“ „was“ „wann“ zum Wahl-O-Mat teilt. Die Beiträge werden mittels Social Media Mining innerhalb eines festgelegten Untersuchungszeitraums gesammelt und anschließend anhand einer Inhaltsanalyse strukturiert ausgewertet. Anhand dieser Vorgehensweise lässt sich zum einen die Resonanz (quantitativ und qualitativ) des Tools, sein Framing sowie die Art der Beiträge ermitteln. Dabei könnte es sich bspw. um Aufforderungen handeln, das Tool zu nutzen, um das reine Posten des Wahl-O-Mat Ergebnisses oder um konkrete Wahlaufforderungen für/gegen eine Partei. Diese erste Erfassung der Kommunikation rund um den Wahl-O-Mat in den Sozialen Medien erscheint lohnenswert, da diese als Resonanzraum für die politische Kommunikation von Bedeutung sind, wenn man von einem Zusammenhang zwischen der Kommunikation über Politik und der aktiven Teilhabe an Politik ausgeht. Letztlich ist diese Analyse auch vor dem Hintergrund der Absicht der Macher des Tools, politische Anschlusskommunikation zu stimulieren, relevant.

Das zweite Forschungsmodul widmet sich explizit dem analogen Wahl-O-Mat (mehr Informationen finden sich hier: „Wahl-O-Mat zum Aufkleben“). Der analoge Wahl-O-Mat war bislang nicht Gegenstand wissenschaftlicher Begleitforschung, wirft aber aufgrund seines Formats interessante und neue Fragen auf. Eine Besonderheit des analogen Wahl-O-Mat ist, dass die Positionierungen der anderen Nutzer zu den Thesen sichtbar sind. Dadurch könnten im Sinne des Meinungsführerkonzeptes soziale Effekte auf die Nutzerinnen und Nutzer entstehen. Außerdem kommt hinzu, dass der analoge Wahl-O-Mat nicht alleine genutzt wird, sondern in unter Beobachtung anderer. So können während der Nutzung Interaktionen entstehen, die sich ebenfalls auf die Positionierung auswirken können. Das geschlossene Setting der analogen Wahl-O-Mat-Nutzung bietet auch die Möglichkeit der Erfassung der Anschlusskommunikation direkt nach dem Spiel (Projektleiter: Jonas Israel).

Zielsetzung der wissenschaftlichen Begleitung im Kontext des analogen Wahl-O-Mat soll zunächst eine Profilierung der Nutzerinnen und Nutzer im Rahmen einer Nutzerbefragung sein. Dies bietet die Gelegenheit, die Nutzer des analogen Wahl-O-Mat mit denen des digitalen zu vergleichen. Zusätzlich zu einer quantitativen Befragung eignet sich die Durchführung ergänzender qualitativer Interviews oder anderer qualitativer Verfahren (z.B. „Lautes Denken“), um mehr über die kognitiven Verarbeitungs- und Entscheidungsprozesse während der Wahl-O-Mat-Nutzung zu erfahren. Dies ist sowohl unter dem Aspekt der Gestaltung der Tools als auch der Frage nach der politischen Bildung durch den Wahl-O-Mat interessant.