Das Konzept der Deliberation wurde als Ansatz zur Erneuerung von öffentlicher Kommunikation und Beteiligung in den Politik- und Sozialwissenschaften entwickelt, um dadurch die Legitimität politischer Institutionen und ihrer Entscheidungen zu erhöhen. Inwiefern die Werte und Normen des Deliberationskonzepts (u. a. Rationalität, Interaktivität und Offenheit) allerdings in der politischen Praxis durch rechtliche Vorgaben und bei der Gestaltung und Implementierung von Beteiligungsvorhaben berücksichtigt werden, um die legitimitätsfördernden Effekte erzielen zu können, ist bislang wenig erforscht.
Das Ziel des gemeinsamen Projekts von Forschern der HHU und der Universität Warschau ist es daher, die Relevanz von Werten und Normen des Deliberationskonzepts für die praktische Durchführung von Öffentlichkeitsbeteiligungen kommunaler Politik und Verwaltung in Deutschland und Polen zu erforschen. Es wird untersucht, wie sich lokale Beteiligungspraktiken in beiden Ländern unterscheiden und durch welche Faktoren diese beeinflusst werden. Für diese Studie konzentrieren wir uns dabei auf die Beteiligung der Öffentlichkeit als einen institutionalisierten Kommunikationskanal zwischen kommunaler Politik und Verwaltung einerseits, und Mitgliedern der lokalen Öffentlichkeit andererseits.
Im Projektverlauf werden zunächst die bedeutendsten EU-Dokumente sowie nationale, regionale und lokale rechtliche Vorgaben mit Bezug zu öffentlichen Konsultationen analysiert, um den formalen, rechtlichen Kontext von Deliberation in Öffentlichkeitsbeteiligungen zu erfassen und Unterschiede zwischen den beiden Ländern herauszuarbeiten. Anschließend wird im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern von deutschen und polnischen Kommunen die praktische Durchführung von Konsultationen der Öffentlichkeit analysiert. Das Kernelement des Projekts besteht aus einer Reihe von Interviews, in denen Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter zur Planung und Durchführung von Öffentlichkeitsbeteiligung befragt werden. Zur Unterstützung kommt eine an der Universität Warschau entwickelte Software („inDialogue“; Open Source) zum Einsatz.
Im Ergebnis soll es möglich sein, die regelmäßig in den Kommunen zum Einsatz kommenden Routinen zur Planung und Durchführung von Öffentlichkeitsbeteiligungen zu erfassen und diese mit dem Model deliberativer Öffentlichkeitsbeteiligung zu vergleichen, das u. a. in der Literatur und formal-rechtlichen Dokumenten spezifiziert wird. Zudem werden verschiedene institutionelle, organisationale und individuelle Faktoren erfasst, die für die Unterschiede in den Einstellungen und dem Verhalten der Verwaltungsmitarbeitenden bei der Planung von Konsultationsvorhaben in den beiden Ländern verantwortlich sind. Nicht zuletzt werden Leitlinien entwickelt, wie Informationstechnologien besser eingesetzt werden können, um die administrativen Prozesse zur Planung und Durchführung von öffentlichen Konsultationen zu unterstützen. Diese werden beispielhaft in der Software inDialogue implementiert.
- Fördergeber: Gefördert aus Mitteln der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung
- Projektpartner: Universität Warschau (Zentrum für Deliberation im Institut für Soziologie)
- Laufzeit: Mai 2019 bis Juli 2021
Ansprechpartner
Dr. Malte Steinbach
Alumni, Betriebswirtschaftslehre, Soziologie
Dr. Malte Steinbach betreute von April 2019 bis April 2020 das DIID als wissenschaftlicher Koordinator. Seit 2020 ist er Projektmanager beim DIID Kooperationspartner Zebralog in Bonn. Er verfasste seine Dissertation am Lehrstuhl für BWL, insb. Arbeit, Personal und Organisation an der HHU-Düsseldorf im Rahmen des NRW Fortschrittskollegs Online-Partizipation. An der Universität Bonn hat er Geographie mit den Nebenfächern Städtebau und VWL studiert. In seiner Masterarbeit hat er das Thema e-Partizipation in der Stadtentwicklung am Beispiel der Stadt Bonn untersucht. Seine Forschung beschäftigt sich mit den Anbietern von Online-Partizipationsprozessen aus organisationstheoretischer Perspektive.
In seiner Promotion untersuchte er die Verbreitung von Online-Partizipation in öffentlichen Organisationen auf Grundlage neoinstitutionalistischer Organisationstheorien.
Kontakt
Jun.-Prof. Dr. Tobias Escher
Soziologie, Vorstand
Tobias Escher leitet eine BMBF-geförderte Nachwuchsforschungsgruppe zur Untersuchung der Wirkungen von Beteiligungsprozessen auf Qualität und Legitimität politischer Entscheidungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Transformation zu nachhaltiger Mobilität im lokalen Kontext. Zuvor betreute er als wissenschaftlicher Koordinator das DIID sowie das NRW Forschungskolleg Online-Partizipation an der HHU-Düsseldorf. Er ist Sozialwissenschaftler und hat am Oxford Internet Institute der University of Oxford promoviert. Bei der Bewertung der Möglichkeiten und Grenzen der Digitalisierung kann er außerdem auf seine Grundkenntnisse der Informatik zurückgreifen.
In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der Evaluation von politischer Beteiligung online und offline. Dabei widmet er sich insbesondere der Frage, inwieweit Bürgerbeteiligung zu höherer Qualität und Legitimität/Akzeptanz politischer Entscheidungen beiträgt. Er hat ein Lehrmodul zur Theorie und Praxis der Online-Partizipation entwickelt, aus dem unter anderem ein Projekt zur studentischen Mitbestimmung in der Lehre entstanden ist.
Fotograf: ©Tilman Schenk